Mich machen Kohlehydrate schlapp . Wenn ich früher Spaghetti aß , als meine Kinder noch zuhause lebten , schlief ich regelmäßig zum Ende der Mahlzeit ein . Das hatte den Vorteil , dass ich die Küche nicht aufräumen musste und meine Kinder einen Anlass zu Belustigung hatten . Mir geht es jetzt noch so . Gebt mir ein Brötchen und ich falle bei der Meditation vom Kissen . Aufgebläht und schlapp. Nach einem Steak und Gemüse geht es mir eindeutig besser . Viele meiner Kursteilnehmer sind jünger als ich und wundern sich über die Kraft , die ich habe ...
Hallo Libelle, diese Erfahrungen machen viele, die über einen längeren Zeitraum eine Low-Carb Diät praktizieren. Im Prinzip deuten diese Symptome darauf hin, dass die metabolische Flexibilität zurückgegangen ist. Darunter versteht man die Fähigkeit des Körpers, zwischen dem Kohlenhydrat- und dem Fettstoffwechsel hin und her zu switchen, je nach Bedarf und verfügbarem Angebot.
Strikte Low-Carb Verfechter vertreten die Ansicht, dass das nicht weiter schlimm ist, weil der Körper seine Energie auch zum großen Teil aus Fetten beziehen kann. Man sollte dabei aber zwei Dinge im Hinterkopf behalten: Das Gehirn kann keine Fettsäuren verarbeiten, sondern ist auf Glukose als Energieträger angewiesen. Der Körper sorgt dafür, dass das Gehirn so lange wie möglich mit Glukose versorgt wird, indem es die Speicherung von Glykogen in den Muskelzellen unterbindet. Man spricht hier von einer physiologischen Insulinresistenz. Bei einem absoluten Mangel an Kohlenhydraten, der keine ausreichende Energieversorgung des Gehirns gewährleistet, werden aus Fettsäuren die sogenannten Ketonkörper produziert. Dieser Zustand der Ketose ist von der Natur als Notprogramm in Zeiten von Nahrungsmangel vorgesehen. Daneben kann der Körper in der Leber auch aus Aminosäuren (Protein) Glukose herstellen. Wenn wir in diesem Zustand nicht genügend Eiweiß zuführen, dann wird dafür Muskelmasse abgebaut. Den damit verbundenen Gewichtsverlust sollte man keinesfalls als Erfolg ansehen.
Wer also eine ketogene Diät oder eine Low-Carb Diät über einen längeren Zeitraum praktiziert, weil er denkt, dass Kohlenhydrate nicht essentiell sind, vergisst dabei, dass das oftmals auf Kosten der Muskulatur geht. Und auch sonst ist der Zustand einer physiologischen Insulinresistenz ein Schutzmechanismus, damit bei Nahrungsknappheit die wenige verfügbare Glukose dem Hirn zur Verfügung steht und nicht unnötigerweise in den Muskeln verbraucht wird, die auch Fettsäuren zur Energiegewinnung nutzen können. Auf Dauer ist das aber eine Sackgasse, weil sich das Problem nur weiter verstärkt. Der Körper passt sich an diesen Zustand an und reduziert die Produktion von Enzymen, die für den Kohlenhydratstoffwechsel erforderlich sind.
Bei Anzeichen, dass das alles bereits im Gang ist, würde ich also raten, gegenzusteuern. Es muss ja nicht mit weißem Toastbrot oder einer großen Portion Spaghetti sein: Schrittweise wieder mehr kohlenhydratreiche Gemüsesorten wie Möhren, Erbsen, Hülsenfrüchte und Kartoffeln essen und öfter mal ein Stück Obst. Einfach ausprobieren, was einem am besten bekommt.
ZitatIch möchte die kleine Reise noch ein wenig fortsetzen: Wenn du dich jetzt also mit einer geringeren Kohlenhydratzufuhr „heilst“ und mehr Fette (sei es Nahrungs- oder Körperfett) konsumierst, dann setzt du das zelluläre Spiel der Insulinresistenz ja eigentlich fort. Du hast das Grundproblem (“Fehlende Kohlenhydrat-Oxidation”) nicht behoben, sondern einfach nur das gemacht, was auch deine Zelle gemacht hat: Keine Kohlenhydrate mehr gegessen / angenommen. Langfristige Adaption infolge einer kohlenhydratarmen Ernährung?
Das Problem: Mit einer solchen Intervention kehrst du die Prozesse nicht um, sondern schiebst sie nur von dir – denn wenn du jetzt nach 5 Jahren Low Carb anfängst Kohlenhydrate zu essen, dann oxidierst du ja immer noch zu wenig davon. Jetzt hast du etwas gemacht, was noch viel weniger gut war: Du hast dein anaboles Signalsystem (Insulin/PI3K/Akt/mTOR) jahrelang ausgeschaltet – oder zumindest stark reduziert.
Du hast jetzt also alles dafür gegeben, dass du Fettsäuren oxidieren kannst – was ja zunächst wirklich lobenswert ist. Aber langfristig sind auch die Enzyme des Kohlenhydratstoffwechsels flöten gegangen, denn dein Muskel ist nicht blöd: Du hast keine Kohlenhydrate gegessen, jetzt darfst du auch nicht verlangen, dass du welche oxidieren kannst. Es würde einer Energieverschwendung gleichen, wenn dein Körper kohlenhydratspaltende Enzyme produziert, obwohl keine Kohlenhydrate zu erwarten sind – und so etwas tut der schlaue Körper nicht.